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Der Liebe Dauer von  Ferdinand Freiligrath 


On lieb' so lang' du lieben kannst,  

O lieb' so lang' du lieben magst!  

Die Stunde kommt, die Stunde kommt,  

Wo du an Gräbern stehst und klagst.  


Und sorge, dass dein Herze glüht  

Und Liebe hegt und Liebe trägt,  

So lang' ihm noch ein and'res Herz  

In Liebe warm entgegenschlägt.  


Und wer dir seine Brust erschließt,  

O tu' ihm, was du kannst, zu lieb, 

Und mach' ihm jede Stunde froh,  

Und mach' ihm keine Stund trüb!  


Und hüte deine Zunge wohl,  

Bald ist ein böses Wort gesagt. 

„O Gott, es war nicht bös' gemeint!"  

Der And're aber geht und klagt.  


O lieb', so lang' du lieben kannst,  

O lieb', so lang' du lieben magst!  

Die Stunde kommt, die Stunde kommt,  

Wo du an Gräbern stehst und klagst.  


Dann kniest du nieder an der Gruft  

Und birgst die Augen, trüb und nass, - 

Sie seh'n den Andern nimmermehr, - 

In's lange, feuchte Kirchhofsgras.  


Und sprichst: „O schau auf mich herab,  

Der hier an deinem Grabe weint!  

Vergib, dass ich gekränkt dich hab',  

O Gott, es war nicht bös' gemeint!"  


Er aber sieht und hört dich nicht,  

kommt nicht, dass du ihn froh empfängst;  

Der Mund, der oft dich küsste, spricht  

Nie wieder: „Ich vergab dir längst!"  


Er tat's, vergab dir lange schon,  

Doch manche heiße Träne fiel  

Um dich und um dein herbes Wort.  

Doch still - er ruht und ist am Ziel.  


O lieb', so lang' du lieben kannst,  

O lieb', so lang' du lieben magst!  

Die Stunde kommt, die Stunde kommt,  

Wo du an Gräbern stehst und klagst. 

Ferdinand Freiligrath

weitere Informationen und Hintergründe über Hermann Ferdinand Freiligrath findet man hier

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